Verbotene Stadt Wünsdorf

Ein fotografischer Streifzug durch die Zeit

Die „Verbotene Stadt“ Wünsdorf ist einer dieser Orte, die sofort eine mystische Anziehungskraft entfalten. Nur etwa 40 Kilometer südlich von Berlin liegt dieser ehemalige Militärstandort, der tief in der Geschichte des 20. Jahrhunderts verwurzelt ist. Bereits im Kaiserreich und später in der Weimarer Republik ein bedeutender Garnisonsstandort, wurde Wünsdorf nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der wichtigsten Stützpunkte der sowjetischen Besatzungsmacht in der DDR.

Die Rote Armee richtete hier ihr Oberkommando ein – ein hermetisch abgeschirmter Bereich, zu dem selbst DDR-Bürger keinen Zutritt hatten. Über Jahrzehnte hinweg lebten hier bis zu 75.000 sowjetische Soldaten, Offiziere und deren Familien in einer abgeschlossenen Parallelwelt mit Schulen, Theatern, Läden und Kasernen – eine sowjetische Stadt mitten in Brandenburg.

Und auch heute, Jahrzehnte nach dem Abzug der russischen Truppen, ist ihre Präsenz noch greifbar: kyrillische Schriftzüge, vergessene Uniformteile, Wandmalereien und vor allem das monumentale Lenin-Denkmal im Zentrum des Geländes wirken wie stille Wachtposten einer untergegangenen Epoche. Für Fotograf:innen eröffnet sich hier ein einzigartiger Raum zwischen Geschichte und Verfall – ein Ort, an dem man nicht nur Bilder, sondern auch Geschichten einfängt.

Die Gärtnerei und das alte Freibad – Die Rückkehr der Natur

In den Ruinen der ehemaligen Gärtnerei und des nahegelegenen Freibads ist die Natur längst zum Hauptakteur geworden. Ranken schieben sich durch zerborstene Fenster, Pflanzen breiten sich aus, und junge Bäume wachsen dort, wo früher ein Gewächshaus stand. Als Fotomotiv ist dieser Bereich ein Traum – Kontraste aus zarten Grüntönen und rostigem Metall, aus Licht und Schatten. Hier zeigt sich eindrucksvoll, wie sich die Natur Stück für Stück das Terrain zurückerobert.


Das Schwimmbad im Haus der Offiziere – Licht, Farbe und Struktur

Im Inneren des Hauses der Offiziere verbirgt sich ein leerstehendes Schwimmbecken, das trotz seines Verfalls eine fast sakrale Stimmung ausstrahlt. Über Fenster fällt sanftes Licht in die Halle und taucht das verblasste Blau der Fliesen in einen surrealen Glanz. Besonders das ehemalige Kesselhaus mit seinen rostigen Rohren und die Umkleidekabinen bieten spannende Details. Durch das Spiel von Licht und Struktur ergeben sich beeindruckende Motive – vor allem im Zusammenspiel mit gezielt eingesetztem Gegenlicht und gezogenen Linien im Bildaufbau.


Theater und Kino – Atmosphäre aus Schatten und Geschichte

Das Theater ist dunkel. So dunkel, dass ohne Stativ kaum ein brauchbares Bild gelingt. Doch wer sich die Zeit nimmt und mit Langzeitbelichtung arbeitet, wird mit einer einzigartigen Stimmung belohnt. Die Stuhlreihen, die Bühne, die schweren Vorhänge – all das scheint eingefroren in einer vergessenen Zeit.

In einer zweiten Halle steht ein alter Flügel, still und majestätisch, umgeben von Staub und Farbe – ein Ort wie gemacht für stimmungsvolle Detail-Aufnahmen. Im alten Kino beeindruckt besonders der Lichteinfall: Von links fällt das Tageslicht durch große Fenster und durchschneidet den Raum mit dramatischer Klarheit – ein Gänsehautmoment für jeden Fotografen.


Das Hauptgebäude – Verlassene Gänge und stille Details

Die Gänge des Hauptgebäudes sind lang, still und von Verfall gezeichnet. Abblätternde Farbe an den Wänden, vergilbte Beschilderungen, offenstehende Türen – jedes Detail lädt dazu ein, innezuhalten und sich ein Bild aus einer anderen Zeit vorzustellen.


Treppenhäuser – Ästhetik in Linien und Formen

Treppenhäuser sind für viele Fotograf:innen ohnehin ein Lieblingsmotiv – in Wünsdorf offenbart sich ihre ganze Vielfalt. Es gibt Wendeltreppen mit abgetretenen Stufen, breite Repräsentationstreppen mit geschwungenem Geländer und zersprungene Fensterscheiben, durch die Licht hereinströmt. Je nach Blickwinkel ergeben sich geometrische Kompositionen aus Linien, Schatten und Licht. Besonders spannend ist es, die unterschiedlichen Stile zu dokumentieren – von funktional bis beinahe prunkvoll.


Der Dachboden – Lichtstrahlen wie gemalt

Den Abschluss meines Besuchs bildete der Dachboden. Ein unscheinbarer Zugang führt hinauf in einen Raum, der durch seine Weite und sein Lichtspiel überrascht. Hier kam meine tragbare Nebelmaschine zum Einsatz: Feinster Nebel in der Luft ließ die einfallenden Lichtstrahlen sichtbar werden – ein Effekt, der fast schon filmisch wirkte. Die Balkenstruktur des Dachstuhls und die Klarheit der Strahlen bildeten eine faszinierende Komposition aus Ordnung und Atmosphäre.


Fazit:

Die verbotene Stadt Wünsdorf ist mehr als nur ein Lost Place – sie ist ein Geschichtsbuch aus Beton, Holz und Staub. Wer hier fotografiert, braucht Zeit, Geduld und Respekt vor der Vergangenheit. Aber man wird belohnt: mit Aufnahmen, die mehr sind als schöne Bilder – sie sind Momentaufnahmen einer vergessenen Welt.